Zu kurze und zu schwache Muskeln - wie kann Pilates da helfen?
Zwei Arten von Muskulatur
Grundsätzlich finden sich im menschlichen Körper verschiedene Arten von Muskeln:
tonische Muskulatur,
phasische Muskulatur
sowie natürlich auch Mischformen
Während tonische Muskulatur besonders zu Verkürzung neigt, reagiert phasische Muskulatur auf Inaktivität stärker mit Rückbildung.
Tonische Muskeln bestehen überwiegend aus roten Muskelfasern und leisten hauptsächlich Haltearbeit. Sie ermüden langsamer und entfalten geringere Kraft. Dazu verkürzen sie auch eher, weil sie unter anhaltender Spannung stehen und sich folglich die Spannung im Ruhezustand des Muskels – der Grundtonus – auf Dauer erhöht. Der Muskel ist also dauerhafter verspannt, bzw. verkürzt. Beispiele sind die Wadenmuskeln, die Oberschenkelrückseiten, die Brustmuskeln, der große Nackenmuskel (oberer Anteil des Trapezius) und die Hüftbeuger. Das kann jeder aus eigener Erfahrung gut nachvollziehen.
Phasische Muskeln, andererseits, sind schnell arbeitende Muskeln, die hohe Kraft aufbringen können, aber auch schneller ermüden. Sie neigen eher zur Erschlaffung, da sie nicht automatisch dauerhaft gefordert sind und jeder Muskel bei ausbleibender Bewegung und unzureichendem Training schwächer wird. Bei phasischer Muskulatur finden sich überwiegend weiße Muskelfasern. Beispiele sind die Bauchmuskeln, der innerer Kniestrecker (Vastus medialis), die Gesäßmuskulatur und die Fußmuskeln.
Wie geht Pilates drauf ein?
Im Pilates wird, mit diesem Hintergrundwissen, Muskulatur auf ihre Tendenz hin trainiert. Das heißt, dass wir phasische Muskeln, die eher erschlaffen, auftrainieren und tonische Muskeln, die eher verkürzen, durch die Pilates Übungen stretchen:
Laut einer Studie der Universität zu Köln sind Muskelverkürzungen oft Folge von stereotypen Bewegungen. Gerade daher ist die Bewegungsvielfalt im Pilates – durch die hohe Anzahl von Übungen auf verschiedenen Pilates Geräten und auf jeden Körper angepassten Variationen – besonders wirkungsvoll in der Beseitigung und Vorbeugung von Verkürzungen. Auch ist es aus genau diesem Grund, dass viele ehemalige Leistungssportler zu Pilates wechseln, sowie dass Sportler Pilates als ergänzendes Training machen, um Sportverletzungen vorzubeugen oder zu behandeln.
Phasische Muskeln trainieren wir verstärkt und kräftigen sie, um erschlaffte und zurückgebildete Muskulatur wiederaufzubauen und Abschwächung vorzubeugen. Gerade, weil Pilates ein Ganzkörpertraining bietet, ist es damit so hilfreich bei allgemeiner Muskelschwäche und bringt schnelle und langanhaltende Ergebnisse. Muskelrückbildung beginnt übrigens schon nach 10-14 Tagen von ausbleibendem Training.
Besonders an Pilates ist zudem, dass es speziell darauf ausgelegt ist, diese Ungleichgewichte zwischen verkürzender und erschlaffender Muskulatur auszugleichen. Nicht nur durch die Auswahl der Übungen, sondern auch durch das grundsätzliche Konzept des Pilates. Manche Übungen und Übungsserien, wie die „Series of 5“, trainieren sogar auf beide Problematiken gleichzeitig hin. Die 5 Übungen stärken die geschwächte Bauchmuskulatur und durch das Hochziehen des Beins beim Leg Pull wird gleichzeitig mit einem Stretch der Verkürzung der Beinrückseiten entgegenwirkt.
Man muss herausstellen, wie erstaunlich es ist, mit welcher Intuition Joseph Pilates verstanden hat, dass manche Muskeln verstärkt erschlaffen und andere eher verkürzen und sein Bewegungskonzept genau daraufhin entwickelt und gestaltet hat. Die anatomische Erklärung, die hinter der Wirksamkeit seiner Methode steckt, war ihm wohl nicht bekannt. Sie ist daher um so interessanter.
In einer ausgewogenen Pilates Stunde werden alle Muskulaturgruppen aktiviert, trainiert und gegebenenfalls gestretcht. Dabei orientieren die Trainer sich an genau diesem Konzept und nutzen es, um das Training zu optimieren und genau an den Stellen anzusetzen, die bei jedem Kunden individuelle Problemzonen bilden.