Privatstunde mit Benjamin Degenhardt
Mein Kontakt mit Benjamin Degenhardt reicht zurück ins Jahr 2011, als mich ein mir bis daher Unbekannter per Facebook Messenger kontaktierte.
Aus der losen Konversation entstand der Wunsch gemeinsam einen Workshop zu organisieren, was Mitte 2012, kurz nach der pilates-powers Studio Eröffnung aufgrund mangelnder Anmeldungen leider nicht klappte.
Benjamin ließ sich davon nicht irremachen und besuchte mich am 1. März 2013, als er in Deutschland war. An diesem Tag startete er in unserem Studio übrigens auch seine heute legendäre March Matness und wir hatten eine viel Spaß dabei die unterschiedlichen Arten des Up-Stretch zu vergleichen. Etwas was mich aus meiner damals noch sehr BASI geprägten Sichtweise wachrüttelte.
Und als sein legendäres Matten-Plakat im selben Jahr auf den Markt kam habe ich gleich zwei fürs Studio bestellt. Die findest Du einmal vor dem Reformer-Raum rechts und im Tower Raum direkt links neben der Eingangstür. Einfach mal im Online-Studio-Rundgang ansehen.
So ein bisschen habe ich danach Benjamin Degenhardts Weg und Aufstieg zum Pilates-Star aus der Ferne beobachtet. Mit 42 Videos auf Pilates Anytime zählt Benjamin dort zu den beliebtesten Pilates Trainern. Das Lob von sehr berühmten Pilates-Kollegen über ihn ist überall auf Facebook zu finden und im Pilates Film "A Tribute to Joseph Pilates" spielte Benjamin mit häufigen Auftritten schon fast eine Hauptrolle.
Aufgrund des nur losen Kontakts war ich ziemlich überrascht und habe mich sehr gefreut, als er mich letztes Jahr im Mai 2016 einlud einen Tag bei seiner Trainerausbildung bei Moving Pilates in Köln zu hospitieren.
Meine Verbindung zu Moving Pilates, dem Studio von Katharina Leitheiser, aufzulisten, würde jetzt zu weit führen, nur so viel: a) unsere Wall Units wurden von Katharinas Mann gebaut und b) wenn jemand in Köln ein Pilates Studio sucht, empfehle ich immer Katharina.
So richtig wusste ich vor dem Tag Hospitation nicht, was ich von Benjamin Degenhardts Ansatz im Pilates halten sollte. Oder einmal etwas kritischer, ich wusste nicht so genau wo der Rummel um die Person Benjamin herkam. Hatte ich etwas verpasst?
Mit drei Pilates Ausbildungen von der Kane School of Core Integration, Halfmoon Pilates und Equinox Pilates, war Benjamin offensichtlich ein ständig Suchender. Was er dann an dem einen Tag der Ausbildung, an dem ich dabei sein durfte, präsentierte, machte auf mich einen bleibenden Eindruck. Das Besondere, eine Verbindung aus klassischer Sichtweise und viel eigenem Nachdenken über die Übungen. Und: eine tolle Art die Übungen zu unterrichten.
Als ich erfuhr, dass er November wieder in Köln ist habe die Gelegenheit wahrgenommen und eine Privatstunde mit ihm in Katharinas Studio gebucht.
Das ist übrigens nach meiner Zählung Katharinas dritter Studioumzug und ich finde es ist ein tolles Studio mit sehr viel Atmosphäre. Die Geräte auf dem Bild hat übrigens ihr Mann gebaut.
Zurück zu meiner Privatstunde. Auch Pilates Lehrer haben ihre Problemübungen und meine sind alle Übungen, die aus der Familie des Roll Over stammen. Besonders die Reformer Variante des Overhead bringt mich manchmal zur Verzweiflung und die Short Spine auf dem Reformer ist manchmal schön aber meistens am Anfang nicht wirklich.
Und so bat ich Benjamin mir zu helfen herauszufinden, warum die Overhead Übung so schwer für mich ist. Die üblichen Verdächtigen: meine leichte Skoliose im unteren Rücken, eine daraus folgend leichte Steifigkeit der LWS, die ich jeden Tag mit Übungen und Stretches im Zaun halte, und natürlich mein Lebendgewicht.
Folgte die Stunde zunächst der klassischen Reformer Reihenfolge, Footwork, Hundreds, Overhead Prep, Swan Variation und Pulling Straps, legte Benjamin von Anfang an Wert auf die Verbindung der Beine in den Rücken und dem Gefühl der Längung durch den Körper.
Als wir bei der Short Spine ankamen, wurde schon einiges klarer. Meine Arme bleiben ab einem bestimmten Punkt einfach nicht auf dem Reformer, sondern bewegen sich nach oben. Dabei fiel mir erstemals selbst auf, dass sie dies nicht gleichzeitig machen, sondern die linke bleibt und die rechte verabschiedet sich deutlich schneller. Rechts hatte ich mir bei der Vorbereitung auf die Europäischen Brazilian-Jiu-Jitsu Meisterschaften 1996 eine Schultergelenkluxation mit Komplett-Abriss aller Bänder zugezogen. Etwas was mit zwei Operationen gut gerichtet wurde, aber natürlich auch seine Spuren hinterlässt. Nachdem es klar wurde, dass es mir weder an Kraft noch Flexibilität für die Übung des Overhead fehlt, sondern die Verbindung der Schultern in den Oberkörper offensichtlich ein wichtiges Puzzlestück darstellen, konzentrierte sich Benjamin mit Übungen auf dem Reformer, Cadillac und einem Stock, darauf mir zu helfen mehr Klarheit und Gefühl dafür zu bekommen. Wie man sieht auch in der Snake hatte er seine Hand auf der Schulter.
Die Privatstunde hat mich unheimlich weitergebracht, nicht nur, was meine Hass-Liebe Beziehung mit Roll Over und Co. betrifft. So manche Übungen, wie der Elephant, Long Back Stretch, Chest Expansion haben in der Anleitung von Benjamin noch einmal an Klarheit gewonnen und es gilt sie jetzt entsprechend nachzuarbeiten.
Zwei Elemente, die ich darüberhinaus auch für meinen Unterricht mitnehme: Dem Feedback des Reformer zuhören und oftmals noch kleiner arbeiten.
Nassgeschwitzt und mit frischem T-Shirt sagt mein Gesicht alles.
Ja, der Rummel um die Person Benjamin Degenhardt ist mehr als berechtigt. Er predigt nicht einfach nur alten Wein in neuen Schläuchen, sondern hat mit viel eigenem Nachdenken über unsere Pilates-Übungen und Beobachtungen, wie Joseph Pilates selbst die Übungen ausgeführt hat, sehr viel Erkenntnisse kreiiert, die er auf eine unheimlich herzliche, sympathische und bodenständige Art vermittelt.
Danke Benjamin!