Kathy Corey Master Mentor Programm - 3. Woche
Eine Bewegung kann den ganzen Körper verändern
Bilder oben: Iva Mazzoleni
Das war nun also schon die dritte Woche unserer Master Mentor Ausbildung mit Kathy Corey. Wie die Zeit vergeht. So 100 % genau wusste ich am Anfang dieser Reise im Januar vor einem Jahr nicht worauf ich mich einlassen würde. Zu Beginn war es vor allen Dingen die Faszination mit jemandem zu arbeiten, der von allen bekannten Lehrern der ersten Generation gelernt hatte. Jetzt ein Jahr später erkenne ich, dass es für mich wichtiger und wertvoller geworden ist, zu lernen, wie Kathy Corey die Pilatesmethode durchdrungen und den Übungskanon sinnvoll erweitert hat.
Übrigens hat jeder der Lehrer der ersten Generation die Arbeit von Clara und Joseph Pilates auf seine Art fortgeführt und ihr seinen eigenen Stempel gegeben. Ron Fletcher hatte sein "The Ron Fletcher Floor Work", Eve Gentry "Gentry Work", Kathy Grant "Before the 100" und Bruce King "Rules of the Bones". Carola Trier und Romana Kryzanowska unterschieden, meines Wissens nach, nicht so genau ihre eigenen Interpretationen und Ergänzungen von dem, was sie von Clara und Joseph Pilates gelernt hatten. Aber auch die beiden haben der Methode einiges hinzugefügt.
In dieser Tradition ist Kathy Corey eine eigene Meisterin der Pilatesmethode geworden und ihre Arbeit hat sogar wiederum die Arbeit der First Generation Teacher beeinflusst. So übernahm Kathy Grant bei ihrem Unterricht an der Tisch School Kathy Coreys Core Band Methode.
Kathy Corey hat eine einzigartige Fähigkeit entwickelt: mit scheinbar unscheinbaren kleinen Bewegungsprotokollen den Körper so zu unterstützen, dass er in seine natürliche Balance zurückfindet. "Willkommen im Wunderland, in dem eine einzige Bewegung den ganzen Körper verändern kann." In seiner Essenz ist dies genau, was Joseph Pilates mit seiner Methode anstrebte.
Was haben wir also in den vergangenen fünf Tagen gelernt? Diesmal ging es genau um diese Essenz der Pilatesmethode und damit auch die Essenz jeder einzelnen Pilates Übung. Wir beschäftigten uns mit unseren vermeintlichen Lieblingsübungen und mit den Übungen, die wir weniger mögen, weil sie uns schwer fallen.
So bereiteten wir uns bspw. über eine Reihe von Übungen für Snake & Twist (mit einer Hand) auf dem Reformer vor. Und es war wirklich spannend zu sehen, wie eine üblicherweise sehr schwere Übung durch die Klarheit und Präzision jedes einzelnen Bestandteils des Snake & Twist für jeden Teilnehmer durchführbar wurde. Natürlich gab es auch Übungen, die bspw. mir meine Grenzen aufzeigten, wenn man sie wirklich präzise ausführt und nicht durch Kraft fehlende Bestandteile ersetzt. Aber immer wurde auch klar, wo in der Kette unseres Körpers die "Schwäche" bzw. Disbalance lag. Damit ist der Übungsweg zum Erfolg klar vorgezeichnet.
Bei unsere Lieblingsübungen hielt Kathy Corey für uns Variationen bereit, die sie entweder von den Master Teachern gelernt hatte oder aber aufgrund ihrer fast vierzigjährigen(!) Erfahrung entwickelt hatte. Für mich waren die Variationen des Airplanes mit der Roll-Back Bar besonders einprägsam. Hatte ich doch die Grundversion damals nach meiner Studioausbildung von Miriam Friedrich Honório als Dolphin kennengelernt. Die Variation des Airplane macht etwaige Disbalancen sichtbar und erfordert deutlich höhere Koordination als die Ausgangsversion.
Kathy Corey zeigte uns auch überraschende Anwendungen des Spine Corrector auf dem Reformer. Ja, auf dem Reformer. Das klingt erstmal wie ein Sakrileg, ergänzt aber bei richtigem Einsatz das Repertoire hervorragend, um bestimmte Rekrutierungsmuster einzuüben, die man bspw. bei Kathy Grants Rotisserie Chicken dringend braucht.
Ein unglaubliches Erlebnis war auch zu sehen, wie jeder einzelne Teilnehmer sich im letzten halben Jahr weiterentwickelt hat. Das ist neben dem fleißigen Üben zwischen unseren Treffen sicherlich auch ein Verdienst von Kathy Coreys sehr wertschätzender Unterrichtsmethode. Jeder aus unserer Gruppe war immer dankbar und offen für jede Hilfe und jeden Hinweis, unabhängig davon, ob er von Kathy Corey, Iva Mazzoleni (unserer hervorragenden Gastgeberin) oder von einem der Teilnehmer kam. Die Fähigkeit, auch im Moment einer sehr anstrengenden Übung oder einer kurzfristigen Frustration nicht das eigene Ego in den Vordergrund zu stellen, macht dies zu einer besonderen Gemeinschaft zukünftiger Meister.
"Meister, ist das nicht ein bisschen hoch gegriffen Reiner?"
Ich kann diese Allergie auf den Begriff des "Master" sehr gut nachvollziehen. Ich habe mich in einigen Bereichen schon selbst gewundert, wie leichtfertig hier mit dem Begriff umgegangen wird. So sind einige esoterische Meister sicher eher das Gegenteil und die angebliche Meisterschaft nur ein Deckmantel für Egomanie. Auch leiden selbsternannte Kampfkunst-Meister oft an grandioser Selbstüberschätzung, die selbst dann nicht wackelt, wenn man offensichtlich einem handelsüblichen Kneipenschläger nichts entgegenzusetzen hatte. Nahezu unbegreiflich. Auf der anderen Seite haben wir in Deutschland bei Lehrberufen genau die Unterscheidung zwischen Lehrling, Geselle und Meister. Und diese scheint mir durchaus berechtigt und verdient.
Wenn ich also von Meisterschaft im Pilates spreche ist dies für mich eine Reihe von Fähigkeiten und Leistungen:
Die lückenlose Kenntnis des ganzen Pilates Systems.
Die Fähigkeit, die Essenz des Systems und der Übungen zu erkennen.
Einen eigenen Beitrag zur Entwicklung der Pilates Methode zu leisten.
Den eigenen und den Körper des Klienten in den Übungen lesen zu können und entsprechend zu reagieren, um eine korrekte Rekrutierung der notwendigen Bewegungsmuster zu erreichen.
Kreativ und schöpferisch mit der Essenz der Methode umzugehen, um jedem Menschen den Zugang zu seinem Potenzial und zu einem gesunden Körper zu ermöglichen.
Persönlichkeit und Verhalten, die mehr von Geben, Kümmern und Fördern geprägt sind und nicht von übertriebenem Ego.
Legt man diese Definition für die Bezeichnung der Meisterschaft im Pilates an, wird die Luft doch recht dünn und nur wenige Pilates Lehrer können das für sich in Anspruch nehmen. Kathy Corey ist so eine Person und es ist mir eine besondere Ehre und Freude, bei ihr lernen zu dürfen.
Ich freue mich schon jetzt auf die vorerst letzte gemeinsame Woche im Juli 2017. Es wird sicher nicht die letzte Begegnung sein.